Am 7. November 2023 wurden die ersten Stolpersteine vor den Wohnstätten verfolgter oder ermordeter Opfer der Nationalsozialisten verlegt: Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung. Jedes Opfer soll seinen eigenen Stolperstein erhalten. Also nicht nur ehemalige jüdische Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in Kirchen.
Um diese Mammutaufgabe anzugehen, hat sich im letzten Jahr, am 12. Juli, ein offener ‚Arbeitskreis Stolpersteine‘ gegründet und sich damit der gemeinnützigen „Stiftung Stolpersteine“ von Gunter Demnig angeschlossen. Einem europäischen KunstProjekt, das bislang in über 30 Ländern bereits 100.000 Stolpersteine, allein in Deutschland in über 1.200 Kommunen, verlegt hat!
Wir möchten Ihnen den AK nun in drei Schritten vorstellen:
zu 1) Bereits 2003 und 2007 hat es in unserer Gemeinde Anträge zu Stolpersteinen an die Verwaltung gegeben.
Auf den ersten Antrag erfolgte eine ablehnende Haltung mit einer Aufzählung all dessen, was die Gemeinde bereits zum Thema „Erinnerung an frühere jüdische Mitbürger“ getan hat. Zudem wurden von der Verwaltung Bedenken angeführt, dass die heutigen Eigentümer mit der Verlegung der Stolpersteine nicht einverstanden sein könnten.
Auf den zweiten Antrag, also vier Jahre später, antwortete der damalige Bürgermeister Wolfgang Fürstenberger der Antragstellerin persönlich. Zitat: „Nachdem uns der Förderkreis Museum „Alte Schule“ ebenfalls angeschrieben hatte, haben wir dem Verein mitgeteilt, dass die Gemeinde selbstverständlich die Genehmigung zur Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum geben wird, sofern sich Organisationen oder Privatpersonen finden, die eine solche Aktion organisieren würden“.
Der SPD-Ortsvereins Efringen-Kirchen erinnerte im Zuge der durchgesetzten Umbenennung der Hermann-Burte-Halle in Mehrzweckhalle 2022 daran, nahm das Thema auf seine Agenda und damit einen neuen Anlauf, Stolpersteine auch in unserer Gemeinde sichtbar werden zu lassen.
Zusammen mit dem Museumsförderkreis, so die Idee, sollte öffentlich zu einem offenen, überparteilichen Arbeitskreis eingeladen werden, was dann schließlich zur Gründung des AK führte, deren Sprecherin die ehemalige Bundestagsabgeordnete Marion Caspers-Merk übernahm. Aber dazu mehr im dritten Schritt.
Zu 2) Die Bürgerin, die 2003 den ersten Antrag an die Gemeinde richtete, schrieb und, nachdem sie die Einladung zur ersten Sitzung des Arbeitskreises erhalten hat, aber wegen anderer Aktivitäten nicht teilnehmen konnte, folgendes:
„Was ich bemerkenswert für Efringen-Kirchen finde, ist das Verhältnis der Anzahl unserer Kirchener Bürger jüdischen Glaubens im Verhältnis zu den Bürgern christlichen Glaubens. Hier zeigt sich, wie normal das dörfliche Leben miteinander war. Und dieser hohe Anteil unserer Bürger wurde aus unserer Mitte gerissen. Sie fehlen, sie hinterlassen uns keine Kinder, Enkel, Verwandte. Es waren Kirchener Bürger oder täusche ich mich? Und keinen von ihnen wollen wir vergessen und immer wieder darauf hinweisen: Hier hat er gewohnt, egal, ob das Haus noch steht oder nicht, aber hier sind seine Spuren zu finden. Hier war er daheim. Und von hier wurde er in den Tod geschickt. Dieses Gefühl der Verbundenheit mit unseren Mitbürgern, können kein Gedenkstein und keine Tafel am Friedhof und vor der Synagoge in uns erwecken. Dort, wo sie mit uns gelebt haben, dorthin gehört unser Erinnern an sie. Unser Gedenken an sie darf nicht enden“.
Und genau dieser Frage, ob die jüdische Geschichte des Ortes deutlicher im Straßenbild zu sehen sein sollte, ging der Künstler Gunter Demnig bereits 1997 nach. Die Antwort lieferte er mit seinem „Stolpersteine-Projekt“, das heute eine Stiftung ist: Eine Erinnerungskultur zu schaffen, die nicht nur ein Stück Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte beinhaltet, die nicht auf der Suche nach Schuldigen ist, sondern an die Opfer der Nazi-Herrschaft erinnern will, ihre Lebenswege nachzeichnen und das Gedenken in den Alltag holen, mit 9,6 x 9,6 cm und 10 cm hohen Steinen, die mit handgefertigten Messingplatten Vorname, Name, Geburtsjahr, Deportationsjahr und –ort sowie Angaben zum Schicksal der Opfer erhalten. Solch ein Stolperstein kostet 120 Euro und der Künstler verlegt die Steine in jeder Kommune selbst.
Zu 3) Der Arbeitskreis Stolpersteine hat sich von Anfang an als offener Arbeitskreis verstanden. Parteiunabhängig und politisch neutral. Ein Bürgerprojekt, das offen ist für jede und jeden, der an diesem Erinnerungsprojekt Interesse hat und mitwirken möchte, dass die Opfer der Nationalsozialisten in Efringen-Kirchen nicht vergessen werden.
Der AK trifft sich alle zwei Monate in der Kulturscheune Rabe in Kleinkems. Die Treffen werden im Gemeindemitteilungsblatt und auch auf unserer Homepage bekannt gegeben und bleibt dadurch offen für neue Gesichter.
Um das Rad nicht neu erfinden zu müssen, hatten wir zum ersten Treffen die Sprecherin des Schopfheimer Arbeitskreises, Dr. Marianne Merschhemke eingeladen. Sie berichtete nicht nur aus ihrer zweijährigen Arbeit und gab Hinweise zu Quellen für die Recherchearbeit, sondern hatte auch komplett recherchierte Lebensdaten von drei der 38 jüdischen Bürgerinnen und Bürger im Gepäck, die bis zum Schluss in Kirchen lebten und durch die Zwangsevakuierung aller entlang des Rheins gelegenen Markgräfler Dörfer, der sogenannten Roten Zone, nach Schopfheim kamen. Dies geschah am 3. September 1939, zwei Tage nach dem Überfall auf Polen. Die meisten von ihnen kamen aber nach Konstanz.
Am 22. Oktober 1940 wurden von den 38 Jüdinnen und Juden, 28 in das Zwischenlager nach Gurs im unbesetzten Südfrankreich deportiert, der sogenannten „Vorhölle von Ausschwitz“. Die anderen kamen nach Theresienstadt, Ausschwitz, Izbica oder Majdanek im besetzten Polen.
Um wen es sich dabei handelte und was aus ihnen wurde, dies zu recherchieren ist Gegenstand unserer Erinnerungskultur.
Der Schopfheimer AK war sich einig, dass die Stolpersteine für sie nach Kirchen gehören und dort verlegt werden sollten, weil Schopfheim nicht die zuletzt selbst gewählte Wohnadresse war, wie es die Stiftung vorsieht. So sah dies auch Konstanz. Die dortige „Initiative Stolpersteine“ schrieb mir auf meine Frage, ob denn die Kirchener Jüdinnen und Juden bereits Stolpersteine in Konstanz erhalten haben, folgendes: „In Konstanz haben wir aufgrund der erfolgten Zwangsevakuierung für keinen der aus Kirchen stammenden Juden und Jüdinnen einen Stolperstein verlegt. Da wir aber lange Zeit nicht davon ausgehen konnten, dass es auch in Efringen-Kirchen Stolpersteine geben würde, haben wir uns bemüht, auf andere Weise diesen Menschen zu gedenken“.
Mittlerweile konnten wir die Recherchen weiterer acht jüdischer Gemeindemitglieder abschließen, vor allem dank der hervorragenden Arbeit von Pfarrer Axel Huettner, der bekanntlich auch Historiker ist.
Am 24. April d. J. haben wir nach 20 Jahren erneut einen Antrag auf Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum im Gemeinderat gestellt, der eine recht emotionale Diskussion auslöste, die auch die Widerstände gegen das Stolperstein-Projekt deutlich machte. Dennoch wurde dem Antrag mit einer deutlichen Mehrheit zugestimmt. Aber mit der Auflage, dass der Gemeinderat der Verlegung von Stolpersteinen nur zustimmt, wenn dafür das Einverständnis der Grundstückseigentümer schriftlich vorliegt.
Da das Gespräch mit den Eigentümern sowieso zu unseren Aufgaben gehört – wir dachten dabei aber nicht an eine schriftliche Einverständniserklärung – sind dadurch rechtliche Fragen aufgetreten, dass Eigentümer etwas zustimmen sollen, was den öffentlichen Raum betrifft. Damit wurden den Stolpersteinen in gewisser Hinsicht selbst Stolpersteine in den Weg gelegt, was manch Diskussion mit einem Eigentümer bereits gezeigt hat. Andere Gemeinden wie Schopfheim, Lörrach, Müllheim und auch Breisach sind bei ihrer Zustimmung ohne dieses schriftliche Dokument ausgekommen. Es reichte, dass die Eigentümer mit eingebunden wurden und ihre Zustimmung fand.
Mit und durch den Gemeinderatsbeschluss ist die Gemeinde Schirmherrin der Stolpersteine, worüber wir uns trotz der Auflage natürlich freuen. Somit können Spenden über die Gemeinde abgewickelt werden, die dann auch entsprechende Spendenbescheinigungen ausstellt.
Aktuell gibt es für 13 Stolpersteine Patinnen und Paten, die mit einer Spende von 120 € jeweils einen Stein finanzieren.
Über die Recherchen über jüdische Opfer hinaus, sind uns zwei ehemalige Mitbürger aus Istein bekannt geworden, die im Zusammenhang mit dem als „T4-Aktion“ bezeichneten Euthanasie-Programms der Nazis im ehemaligen Kreispflegeheims Wiechs ermordet wurden, an die mit Stolpersteinen in Istein erinnert werden soll.
Am28. August d. J. wurde dort eine sog. Stolperschwelle für die 108 Euthanasie-Opfer verlegt. Stolperschwellen werden da eingesetzt, wo die Zahl der Opfer für Stolpersteine einfach zu hoch wäre.
An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass die Finanzierung der Stolpersteine ausschließlich über die Spendeneinnahmen erfolgt, die Arbeit des Arbeitskreises ist rein ehrenamtlich.
Am 22. September 2023 gab es in diesem Zusammenhang eine Benefizveranstaltung mit jüdischer Musik in der Kulturscheune Rabe in Kleinkems. Da wir weiterhin auf Spenden angewiesen sein werden, werden wir auch weiterhin Veranstaltungen planen.
Zur Arbeit einer Erinnerungskultur gehört schließlich auch, die Jugend für das Projekt Stolpersteine zu interessieren und zu gewinnen, ihr neben dem Unterrichtsstoff „Nationalsozialismus“ die Möglichkeit zu geben, zu erfahren, wer alles zwischen 1933 und 1939 aus Kirchen, Istein und anderen Dörfern ihrer Heimatgemeinde plötzlich verschwand und nicht wiederkam. Und sie damit über Unrecht und die Folgen von Gewaltherrschaft zu sensibilisieren.
Daher war es uns von Anfang an ein großes Anliegen, den Kontakt zum Schulzentrum zu suchen und waren sehr froh, bei der Schulleitung offene Türen einzurennen! Der sehr engagierte Geschichtslehrer, Erwin Disch, konnte Schülerinnen und Schüler seiner Klasse für das Projekt begeistern und „im Nu“ war eine außerordentliche AG gegründet, die sich mit dem jüdischen Gemeindeleben intensiver auseinandersetzt als dies im planmäßigen Unterricht möglich wäre. Die AG stellte zum Schulfest eine beeindruckende und sehr sehenswürdige Präsentation auf die Beine, für die die Schülerinnen und Schüler auch eine Umfrage zur Judenverfolgung gemacht hat, aus der ich zum Schluss meiner Ausführungen ein paar Fragen zitieren möchte.
„Interessiert Sie das Thema Judenverfolgung? Wissen Sie, was Stolpersteine sind? Wissen Sie, dass Stolpersteine in Efringen-Kirchen verlegt werden sollen? Und kennen Sie jüdische Nachnamen aus Efringen-Kirchen?“
Die Auswertung ergab zur ersten Frage: 75% der weiblich Befragten antworteten mit ja, dagegen interessierten sich nur 20% der Männer für das Thema Judenverfolgung. Bei der dritten Frage wussten 60% der weiblich Befragten, dass Stolpersteine in Efringen-Kirchen verlegt werden sollen, aber nur 20% der männlich Befragten. Bei der Frage nach jüdischen Nachnamen aus der Gemeinde wussten sogar 65% der weiblich Befragten Namen anzugeben, bei den Männern nur 15%.
Am 7. November 2023 wurden die ersten Stolpersteine vor den Wohnstätten verfolgter oder ermordeter Opfer der Nationalsozialisten verlegt: Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung. Jedes Opfer soll seinen eigenen Stolperstein erhalten. Also nicht nur ehemalige jüdische Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in Kirchen.
Um diese Mammutaufgabe anzugehen, hat sich im letzten Jahr, am 12. Juli, ein offener ‚Arbeitskreis Stolpersteine‘ gegründet und sich damit der gemeinnützigen „Stiftung Stolpersteine“ von Gunter Demnig angeschlossen. Einem europäischen KunstProjekt, das bislang in über 30 Ländern bereits 100.000 Stolpersteine, allein in Deutschland in über 1.200 Kommunen, verlegt hat!
Wir möchten Ihnen den AK nun in drei Schritten vorstellen:
zu 1) Bereits 2003 und 2007 hat es in unserer Gemeinde Anträge zu Stolpersteinen an die Verwaltung gegeben.
Auf den ersten Antrag erfolgte eine ablehnende Haltung mit einer Aufzählung all dessen, was die Gemeinde bereits zum Thema „Erinnerung an frühere jüdische Mitbürger“ getan hat. Zudem wurden von der Verwaltung Bedenken angeführt, dass die heutigen Eigentümer mit der Verlegung der Stolpersteine nicht einverstanden sein könnten.
Auf den zweiten Antrag, also vier Jahre später, antwortete der damalige Bürgermeister Wolfgang Fürstenberger der Antragstellerin persönlich. Zitat: „Nachdem uns der Förderkreis Museum „Alte Schule“ ebenfalls angeschrieben hatte, haben wir dem Verein mitgeteilt, dass die Gemeinde selbstverständlich die Genehmigung zur Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum geben wird, sofern sich Organisationen oder Privatpersonen finden, die eine solche Aktion organisieren würden“.
Der SPD-Ortsvereins Efringen-Kirchen erinnerte im Zuge der durchgesetzten Umbenennung der Hermann-Burte-Halle in Mehrzweckhalle 2022 daran, nahm das Thema auf seine Agenda und damit einen neuen Anlauf, Stolpersteine auch in unserer Gemeinde sichtbar werden zu lassen.
Zusammen mit dem Museumsförderkreis, so die Idee, sollte öffentlich zu einem offenen, überparteilichen Arbeitskreis eingeladen werden, was dann schließlich zur Gründung des AK führte, deren Sprecherin die ehemalige Bundestagsabgeordnete Marion Caspers-Merk übernahm. Aber dazu mehr im dritten Schritt.
Zu 2) Die Bürgerin, die 2003 den ersten Antrag an die Gemeinde richtete, schrieb und, nachdem sie die Einladung zur ersten Sitzung des Arbeitskreises erhalten hat, aber wegen anderer Aktivitäten nicht teilnehmen konnte, folgendes:
„Was ich bemerkenswert für Efringen-Kirchen finde, ist das Verhältnis der Anzahl unserer Kirchener Bürger jüdischen Glaubens im Verhältnis zu den Bürgern christlichen Glaubens. Hier zeigt sich, wie normal das dörfliche Leben miteinander war. Und dieser hohe Anteil unserer Bürger wurde aus unserer Mitte gerissen. Sie fehlen, sie hinterlassen uns keine Kinder, Enkel, Verwandte. Es waren Kirchener Bürger oder täusche ich mich? Und keinen von ihnen wollen wir vergessen und immer wieder darauf hinweisen: Hier hat er gewohnt, egal, ob das Haus noch steht oder nicht, aber hier sind seine Spuren zu finden. Hier war er daheim. Und von hier wurde er in den Tod geschickt. Dieses Gefühl der Verbundenheit mit unseren Mitbürgern, können kein Gedenkstein und keine Tafel am Friedhof und vor der Synagoge in uns erwecken. Dort, wo sie mit uns gelebt haben, dorthin gehört unser Erinnern an sie. Unser Gedenken an sie darf nicht enden“.
Und genau dieser Frage, ob die jüdische Geschichte des Ortes deutlicher im Straßenbild zu sehen sein sollte, ging der Künstler Gunter Demnig bereits 1997 nach. Die Antwort lieferte er mit seinem „Stolpersteine-Projekt“, das heute eine Stiftung ist: Eine Erinnerungskultur zu schaffen, die nicht nur ein Stück Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte beinhaltet, die nicht auf der Suche nach Schuldigen ist, sondern an die Opfer der Nazi-Herrschaft erinnern will, ihre Lebenswege nachzeichnen und das Gedenken in den Alltag holen, mit 9,6 x 9,6 cm und 10 cm hohen Steinen, die mit handgefertigten Messingplatten Vorname, Name, Geburtsjahr, Deportationsjahr und –ort sowie Angaben zum Schicksal der Opfer erhalten. Solch ein Stolperstein kostet 120 Euro und der Künstler verlegt die Steine in jeder Kommune selbst.
Zu 3) Der Arbeitskreis Stolpersteine hat sich von Anfang an als offener Arbeitskreis verstanden. Parteiunabhängig und politisch neutral. Ein Bürgerprojekt, das offen ist für jede und jeden, der an diesem Erinnerungsprojekt Interesse hat und mitwirken möchte, dass die Opfer der Nationalsozialisten in Efringen-Kirchen nicht vergessen werden.
Der AK trifft sich alle zwei Monate in der Kulturscheune Rabe in Kleinkems. Die Treffen werden im Gemeindemitteilungsblatt und auch auf unserer Homepage bekannt gegeben und bleibt dadurch offen für neue Gesichter.
Um das Rad nicht neu erfinden zu müssen, hatten wir zum ersten Treffen die Sprecherin des Schopfheimer Arbeitskreises, Dr. Marianne Merschhemke eingeladen. Sie berichtete nicht nur aus ihrer zweijährigen Arbeit und gab Hinweise zu Quellen für die Recherchearbeit, sondern hatte auch komplett recherchierte Lebensdaten von drei der 38 jüdischen Bürgerinnen und Bürger im Gepäck, die bis zum Schluss in Kirchen lebten und durch die Zwangsevakuierung aller entlang des Rheins gelegenen Markgräfler Dörfer, der sogenannten Roten Zone, nach Schopfheim kamen. Dies geschah am 3. September 1939, zwei Tage nach dem Überfall auf Polen. Die meisten von ihnen kamen aber nach Konstanz.
Am 22. Oktober 1940 wurden von den 38 Jüdinnen und Juden, 28 in das Zwischenlager nach Gurs im unbesetzten Südfrankreich deportiert, der sogenannten „Vorhölle von Ausschwitz“. Die anderen kamen nach Theresienstadt, Ausschwitz, Izbica oder Majdanek im besetzten Polen.
Um wen es sich dabei handelte und was aus ihnen wurde, dies zu recherchieren ist Gegenstand unserer Erinnerungskultur.
Der Schopfheimer AK war sich einig, dass die Stolpersteine für sie nach Kirchen gehören und dort verlegt werden sollten, weil Schopfheim nicht die zuletzt selbst gewählte Wohnadresse war, wie es die Stiftung vorsieht. So sah dies auch Konstanz. Die dortige „Initiative Stolpersteine“ schrieb mir auf meine Frage, ob denn die Kirchener Jüdinnen und Juden bereits Stolpersteine in Konstanz erhalten haben, folgendes: „In Konstanz haben wir aufgrund der erfolgten Zwangsevakuierung für keinen der aus Kirchen stammenden Juden und Jüdinnen einen Stolperstein verlegt. Da wir aber lange Zeit nicht davon ausgehen konnten, dass es auch in Efringen-Kirchen Stolpersteine geben würde, haben wir uns bemüht, auf andere Weise diesen Menschen zu gedenken“.
Mittlerweile konnten wir die Recherchen weiterer acht jüdischer Gemeindemitglieder abschließen, vor allem dank der hervorragenden Arbeit von Pfarrer Axel Huettner, der bekanntlich auch Historiker ist.
Am 24. April d. J. haben wir nach 20 Jahren erneut einen Antrag auf Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum im Gemeinderat gestellt, der eine recht emotionale Diskussion auslöste, die auch die Widerstände gegen das Stolperstein-Projekt deutlich machte. Dennoch wurde dem Antrag mit einer deutlichen Mehrheit zugestimmt. Aber mit der Auflage, dass der Gemeinderat der Verlegung von Stolpersteinen nur zustimmt, wenn dafür das Einverständnis der Grundstückseigentümer schriftlich vorliegt.
Da das Gespräch mit den Eigentümern sowieso zu unseren Aufgaben gehört – wir dachten dabei aber nicht an eine schriftliche Einverständniserklärung – sind dadurch rechtliche Fragen aufgetreten, dass Eigentümer etwas zustimmen sollen, was den öffentlichen Raum betrifft. Damit wurden den Stolpersteinen in gewisser Hinsicht selbst Stolpersteine in den Weg gelegt, was manch Diskussion mit einem Eigentümer bereits gezeigt hat. Andere Gemeinden wie Schopfheim, Lörrach, Müllheim und auch Breisach sind bei ihrer Zustimmung ohne dieses schriftliche Dokument ausgekommen. Es reichte, dass die Eigentümer mit eingebunden wurden und ihre Zustimmung fand.
Mit und durch den Gemeinderatsbeschluss ist die Gemeinde Schirmherrin der Stolpersteine, worüber wir uns trotz der Auflage natürlich freuen. Somit können Spenden über die Gemeinde abgewickelt werden, die dann auch entsprechende Spendenbescheinigungen ausstellt.
Aktuell gibt es für 13 Stolpersteine Patinnen und Paten, die mit einer Spende von 120 € jeweils einen Stein finanzieren.
Über die Recherchen über jüdische Opfer hinaus, sind uns zwei ehemalige Mitbürger aus Istein bekannt geworden, die im Zusammenhang mit dem als „T4-Aktion“ bezeichneten Euthanasie-Programms der Nazis im ehemaligen Kreispflegeheims Wiechs ermordet wurden, an die mit Stolpersteinen in Istein erinnert werden soll.
Am28. August d. J. wurde dort eine sog. Stolperschwelle für die 108 Euthanasie-Opfer verlegt. Stolperschwellen werden da eingesetzt, wo die Zahl der Opfer für Stolpersteine einfach zu hoch wäre.
An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass die Finanzierung der Stolpersteine ausschließlich über die Spendeneinnahmen erfolgt, die Arbeit des Arbeitskreises ist rein ehrenamtlich.
Am 22. September 2023 gab es in diesem Zusammenhang eine Benefizveranstaltung mit jüdischer Musik in der Kulturscheune Rabe in Kleinkems. Da wir weiterhin auf Spenden angewiesen sein werden, werden wir auch weiterhin Veranstaltungen planen.
Zur Arbeit einer Erinnerungskultur gehört schließlich auch, die Jugend für das Projekt Stolpersteine zu interessieren und zu gewinnen, ihr neben dem Unterrichtsstoff „Nationalsozialismus“ die Möglichkeit zu geben, zu erfahren, wer alles zwischen 1933 und 1939 aus Kirchen, Istein und anderen Dörfern ihrer Heimatgemeinde plötzlich verschwand und nicht wiederkam. Und sie damit über Unrecht und die Folgen von Gewaltherrschaft zu sensibilisieren.
Daher war es uns von Anfang an ein großes Anliegen, den Kontakt zum Schulzentrum zu suchen und waren sehr froh, bei der Schulleitung offene Türen einzurennen! Der sehr engagierte Geschichtslehrer, Erwin Disch, konnte Schülerinnen und Schüler seiner Klasse für das Projekt begeistern und „im Nu“ war eine außerordentliche AG gegründet, die sich mit dem jüdischen Gemeindeleben intensiver auseinandersetzt als dies im planmäßigen Unterricht möglich wäre. Die AG stellte zum Schulfest eine beeindruckende und sehr sehenswürdige Präsentation auf die Beine, für die die Schülerinnen und Schüler auch eine Umfrage zur Judenverfolgung gemacht hat, aus der ich zum Schluss meiner Ausführungen ein paar Fragen zitieren möchte.
„Interessiert Sie das Thema Judenverfolgung? Wissen Sie, was Stolpersteine sind? Wissen Sie, dass Stolpersteine in Efringen-Kirchen verlegt werden sollen? Und kennen Sie jüdische Nachnamen aus Efringen-Kirchen?“
Die Auswertung ergab zur ersten Frage: 75% der weiblich Befragten antworteten mit ja, dagegen interessierten sich nur 20% der Männer für das Thema Judenverfolgung. Bei der dritten Frage wussten 60% der weiblich Befragten, dass Stolpersteine in Efringen-Kirchen verlegt werden sollen, aber nur 20% der männlich Befragten. Bei der Frage nach jüdischen Nachnamen aus der Gemeinde wussten sogar 65% der weiblich Befragten Namen anzugeben, bei den Männern nur 15%.
Am 7. November 2023 wurden die ersten Stolpersteine vor den Wohnstätten verfolgter oder ermordeter Opfer der Nationalsozialisten verlegt: Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung. Jedes Opfer soll seinen eigenen Stolperstein erhalten. Also nicht nur ehemalige jüdische Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in Kirchen.
Um diese Mammutaufgabe anzugehen, hat sich im letzten Jahr, am 12. Juli, ein offener ‚Arbeitskreis Stolpersteine‘ gegründet und sich damit der gemeinnützigen „Stiftung Stolpersteine“ von Gunter Demnig angeschlossen. Einem europäischen KunstProjekt, das bislang in über 30 Ländern bereits 100.000 Stolpersteine, allein in Deutschland in über 1.200 Kommunen, verlegt hat!
Wir möchten Ihnen den AK nun in drei Schritten vorstellen:
zu 1) Bereits 2003 und 2007 hat es in unserer Gemeinde Anträge zu Stolpersteinen an die Verwaltung gegeben.
Auf den ersten Antrag erfolgte eine ablehnende Haltung mit einer Aufzählung all dessen, was die Gemeinde bereits zum Thema „Erinnerung an frühere jüdische Mitbürger“ getan hat. Zudem wurden von der Verwaltung Bedenken angeführt, dass die heutigen Eigentümer mit der Verlegung der Stolpersteine nicht einverstanden sein könnten.
Auf den zweiten Antrag, also vier Jahre später, antwortete der damalige Bürgermeister Wolfgang Fürstenberger der Antragstellerin persönlich. Zitat: „Nachdem uns der Förderkreis Museum „Alte Schule“ ebenfalls angeschrieben hatte, haben wir dem Verein mitgeteilt, dass die Gemeinde selbstverständlich die Genehmigung zur Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum geben wird, sofern sich Organisationen oder Privatpersonen finden, die eine solche Aktion organisieren würden“.
Der SPD-Ortsvereins Efringen-Kirchen erinnerte im Zuge der durchgesetzten Umbenennung der Hermann-Burte-Halle in Mehrzweckhalle 2022 daran, nahm das Thema auf seine Agenda und damit einen neuen Anlauf, Stolpersteine auch in unserer Gemeinde sichtbar werden zu lassen.
Zusammen mit dem Museumsförderkreis, so die Idee, sollte öffentlich zu einem offenen, überparteilichen Arbeitskreis eingeladen werden, was dann schließlich zur Gründung des AK führte, deren Sprecherin die ehemalige Bundestagsabgeordnete Marion Caspers-Merk übernahm. Aber dazu mehr im dritten Schritt.
Zu 2) Die Bürgerin, die 2003 den ersten Antrag an die Gemeinde richtete, schrieb und, nachdem sie die Einladung zur ersten Sitzung des Arbeitskreises erhalten hat, aber wegen anderer Aktivitäten nicht teilnehmen konnte, folgendes:
„Was ich bemerkenswert für Efringen-Kirchen finde, ist das Verhältnis der Anzahl unserer Kirchener Bürger jüdischen Glaubens im Verhältnis zu den Bürgern christlichen Glaubens. Hier zeigt sich, wie normal das dörfliche Leben miteinander war. Und dieser hohe Anteil unserer Bürger wurde aus unserer Mitte gerissen. Sie fehlen, sie hinterlassen uns keine Kinder, Enkel, Verwandte. Es waren Kirchener Bürger oder täusche ich mich? Und keinen von ihnen wollen wir vergessen und immer wieder darauf hinweisen: Hier hat er gewohnt, egal, ob das Haus noch steht oder nicht, aber hier sind seine Spuren zu finden. Hier war er daheim. Und von hier wurde er in den Tod geschickt. Dieses Gefühl der Verbundenheit mit unseren Mitbürgern, können kein Gedenkstein und keine Tafel am Friedhof und vor der Synagoge in uns erwecken. Dort, wo sie mit uns gelebt haben, dorthin gehört unser Erinnern an sie. Unser Gedenken an sie darf nicht enden“.
Und genau dieser Frage, ob die jüdische Geschichte des Ortes deutlicher im Straßenbild zu sehen sein sollte, ging der Künstler Gunter Demnig bereits 1997 nach. Die Antwort lieferte er mit seinem „Stolpersteine-Projekt“, das heute eine Stiftung ist: Eine Erinnerungskultur zu schaffen, die nicht nur ein Stück Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte beinhaltet, die nicht auf der Suche nach Schuldigen ist, sondern an die Opfer der Nazi-Herrschaft erinnern will, ihre Lebenswege nachzeichnen und das Gedenken in den Alltag holen, mit 9,6 x 9,6 cm und 10 cm hohen Steinen, die mit handgefertigten Messingplatten Vorname, Name, Geburtsjahr, Deportationsjahr und –ort sowie Angaben zum Schicksal der Opfer erhalten. Solch ein Stolperstein kostet 120 Euro und der Künstler verlegt die Steine in jeder Kommune selbst.
Zu 3) Der Arbeitskreis Stolpersteine hat sich von Anfang an als offener Arbeitskreis verstanden. Parteiunabhängig und politisch neutral. Ein Bürgerprojekt, das offen ist für jede und jeden, der an diesem Erinnerungsprojekt Interesse hat und mitwirken möchte, dass die Opfer der Nationalsozialisten in Efringen-Kirchen nicht vergessen werden.
Der AK trifft sich alle zwei Monate in der Kulturscheune Rabe in Kleinkems. Die Treffen werden im Gemeindemitteilungsblatt und auch auf unserer Homepage bekannt gegeben und bleibt dadurch offen für neue Gesichter.
Um das Rad nicht neu erfinden zu müssen, hatten wir zum ersten Treffen die Sprecherin des Schopfheimer Arbeitskreises, Dr. Marianne Merschhemke eingeladen. Sie berichtete nicht nur aus ihrer zweijährigen Arbeit und gab Hinweise zu Quellen für die Recherchearbeit, sondern hatte auch komplett recherchierte Lebensdaten von drei der 38 jüdischen Bürgerinnen und Bürger im Gepäck, die bis zum Schluss in Kirchen lebten und durch die Zwangsevakuierung aller entlang des Rheins gelegenen Markgräfler Dörfer, der sogenannten Roten Zone, nach Schopfheim kamen. Dies geschah am 3. September 1939, zwei Tage nach dem Überfall auf Polen. Die meisten von ihnen kamen aber nach Konstanz.
Am 22. Oktober 1940 wurden von den 38 Jüdinnen und Juden, 28 in das Zwischenlager nach Gurs im unbesetzten Südfrankreich deportiert, der sogenannten „Vorhölle von Ausschwitz“. Die anderen kamen nach Theresienstadt, Ausschwitz, Izbica oder Majdanek im besetzten Polen.
Um wen es sich dabei handelte und was aus ihnen wurde, dies zu recherchieren ist Gegenstand unserer Erinnerungskultur.
Der Schopfheimer AK war sich einig, dass die Stolpersteine für sie nach Kirchen gehören und dort verlegt werden sollten, weil Schopfheim nicht die zuletzt selbst gewählte Wohnadresse war, wie es die Stiftung vorsieht. So sah dies auch Konstanz. Die dortige „Initiative Stolpersteine“ schrieb mir auf meine Frage, ob denn die Kirchener Jüdinnen und Juden bereits Stolpersteine in Konstanz erhalten haben, folgendes: „In Konstanz haben wir aufgrund der erfolgten Zwangsevakuierung für keinen der aus Kirchen stammenden Juden und Jüdinnen einen Stolperstein verlegt. Da wir aber lange Zeit nicht davon ausgehen konnten, dass es auch in Efringen-Kirchen Stolpersteine geben würde, haben wir uns bemüht, auf andere Weise diesen Menschen zu gedenken“.
Mittlerweile konnten wir die Recherchen weiterer acht jüdischer Gemeindemitglieder abschließen, vor allem dank der hervorragenden Arbeit von Pfarrer Axel Huettner, der bekanntlich auch Historiker ist.
Am 24. April d. J. haben wir nach 20 Jahren erneut einen Antrag auf Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum im Gemeinderat gestellt, der eine recht emotionale Diskussion auslöste, die auch die Widerstände gegen das Stolperstein-Projekt deutlich machte. Dennoch wurde dem Antrag mit einer deutlichen Mehrheit zugestimmt. Aber mit der Auflage, dass der Gemeinderat der Verlegung von Stolpersteinen nur zustimmt, wenn dafür das Einverständnis der Grundstückseigentümer schriftlich vorliegt.
Da das Gespräch mit den Eigentümern sowieso zu unseren Aufgaben gehört – wir dachten dabei aber nicht an eine schriftliche Einverständniserklärung – sind dadurch rechtliche Fragen aufgetreten, dass Eigentümer etwas zustimmen sollen, was den öffentlichen Raum betrifft. Damit wurden den Stolpersteinen in gewisser Hinsicht selbst Stolpersteine in den Weg gelegt, was manch Diskussion mit einem Eigentümer bereits gezeigt hat. Andere Gemeinden wie Schopfheim, Lörrach, Müllheim und auch Breisach sind bei ihrer Zustimmung ohne dieses schriftliche Dokument ausgekommen. Es reichte, dass die Eigentümer mit eingebunden wurden und ihre Zustimmung fand.
Mit und durch den Gemeinderatsbeschluss ist die Gemeinde Schirmherrin der Stolpersteine, worüber wir uns trotz der Auflage natürlich freuen. Somit können Spenden über die Gemeinde abgewickelt werden, die dann auch entsprechende Spendenbescheinigungen ausstellt.
Aktuell gibt es für 13 Stolpersteine Patinnen und Paten, die mit einer Spende von 120 € jeweils einen Stein finanzieren.
Über die Recherchen über jüdische Opfer hinaus, sind uns zwei ehemalige Mitbürger aus Istein bekannt geworden, die im Zusammenhang mit dem als „T4-Aktion“ bezeichneten Euthanasie-Programms der Nazis im ehemaligen Kreispflegeheims Wiechs ermordet wurden, an die mit Stolpersteinen in Istein erinnert werden soll.
Am28. August d. J. wurde dort eine sog. Stolperschwelle für die 108 Euthanasie-Opfer verlegt. Stolperschwellen werden da eingesetzt, wo die Zahl der Opfer für Stolpersteine einfach zu hoch wäre.
An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass die Finanzierung der Stolpersteine ausschließlich über die Spendeneinnahmen erfolgt, die Arbeit des Arbeitskreises ist rein ehrenamtlich.
Am 22. September 2023 gab es in diesem Zusammenhang eine Benefizveranstaltung mit jüdischer Musik in der Kulturscheune Rabe in Kleinkems. Da wir weiterhin auf Spenden angewiesen sein werden, werden wir auch weiterhin Veranstaltungen planen.
Zur Arbeit einer Erinnerungskultur gehört schließlich auch, die Jugend für das Projekt Stolpersteine zu interessieren und zu gewinnen, ihr neben dem Unterrichtsstoff „Nationalsozialismus“ die Möglichkeit zu geben, zu erfahren, wer alles zwischen 1933 und 1939 aus Kirchen, Istein und anderen Dörfern ihrer Heimatgemeinde plötzlich verschwand und nicht wiederkam. Und sie damit über Unrecht und die Folgen von Gewaltherrschaft zu sensibilisieren.
Daher war es uns von Anfang an ein großes Anliegen, den Kontakt zum Schulzentrum zu suchen und waren sehr froh, bei der Schulleitung offene Türen einzurennen! Der sehr engagierte Geschichtslehrer, Erwin Disch, konnte Schülerinnen und Schüler seiner Klasse für das Projekt begeistern und „im Nu“ war eine außerordentliche AG gegründet, die sich mit dem jüdischen Gemeindeleben intensiver auseinandersetzt als dies im planmäßigen Unterricht möglich wäre. Die AG stellte zum Schulfest eine beeindruckende und sehr sehenswürdige Präsentation auf die Beine, für die die Schülerinnen und Schüler auch eine Umfrage zur Judenverfolgung gemacht hat, aus der ich zum Schluss meiner Ausführungen ein paar Fragen zitieren möchte.
„Interessiert Sie das Thema Judenverfolgung? Wissen Sie, was Stolpersteine sind? Wissen Sie, dass Stolpersteine in Efringen-Kirchen verlegt werden sollen? Und kennen Sie jüdische Nachnamen aus Efringen-Kirchen?“
Die Auswertung ergab zur ersten Frage: 75% der weiblich Befragten antworteten mit ja, dagegen interessierten sich nur 20% der Männer für das Thema Judenverfolgung. Bei der dritten Frage wussten 60% der weiblich Befragten, dass Stolpersteine in Efringen-Kirchen verlegt werden sollen, aber nur 20% der männlich Befragten. Bei der Frage nach jüdischen Nachnamen aus der Gemeinde wussten sogar 65% der weiblich Befragten Namen anzugeben, bei den Männern nur 15%.
Am 7. November 2023 wurden die ersten Stolpersteine vor den Wohnstätten verfolgter oder ermordeter Opfer der Nationalsozialisten verlegt: Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung. Jedes Opfer soll seinen eigenen Stolperstein erhalten. Also nicht nur ehemalige jüdische Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in Kirchen.
Um diese Mammutaufgabe anzugehen, hat sich im letzten Jahr, am 12. Juli, ein offener ‚Arbeitskreis Stolpersteine‘ gegründet und sich damit der gemeinnützigen „Stiftung Stolpersteine“ von Gunter Demnig angeschlossen. Einem europäischen KunstProjekt, das bislang in über 30 Ländern bereits 100.000 Stolpersteine, allein in Deutschland in über 1.200 Kommunen, verlegt hat!
Wir möchten Ihnen den AK nun in drei Schritten vorstellen:
zu 1) Bereits 2003 und 2007 hat es in unserer Gemeinde Anträge zu Stolpersteinen an die Verwaltung gegeben.
Auf den ersten Antrag erfolgte eine ablehnende Haltung mit einer Aufzählung all dessen, was die Gemeinde bereits zum Thema „Erinnerung an frühere jüdische Mitbürger“ getan hat. Zudem wurden von der Verwaltung Bedenken angeführt, dass die heutigen Eigentümer mit der Verlegung der Stolpersteine nicht einverstanden sein könnten.
Auf den zweiten Antrag, also vier Jahre später, antwortete der damalige Bürgermeister Wolfgang Fürstenberger der Antragstellerin persönlich. Zitat: „Nachdem uns der Förderkreis Museum „Alte Schule“ ebenfalls angeschrieben hatte, haben wir dem Verein mitgeteilt, dass die Gemeinde selbstverständlich die Genehmigung zur Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum geben wird, sofern sich Organisationen oder Privatpersonen finden, die eine solche Aktion organisieren würden“.
Der SPD-Ortsvereins Efringen-Kirchen erinnerte im Zuge der durchgesetzten Umbenennung der Hermann-Burte-Halle in Mehrzweckhalle 2022 daran, nahm das Thema auf seine Agenda und damit einen neuen Anlauf, Stolpersteine auch in unserer Gemeinde sichtbar werden zu lassen.
Zusammen mit dem Museumsförderkreis, so die Idee, sollte öffentlich zu einem offenen, überparteilichen Arbeitskreis eingeladen werden, was dann schließlich zur Gründung des AK führte, deren Sprecherin die ehemalige Bundestagsabgeordnete Marion Caspers-Merk übernahm. Aber dazu mehr im dritten Schritt.
Zu 2) Die Bürgerin, die 2003 den ersten Antrag an die Gemeinde richtete, schrieb und, nachdem sie die Einladung zur ersten Sitzung des Arbeitskreises erhalten hat, aber wegen anderer Aktivitäten nicht teilnehmen konnte, folgendes:
„Was ich bemerkenswert für Efringen-Kirchen finde, ist das Verhältnis der Anzahl unserer Kirchener Bürger jüdischen Glaubens im Verhältnis zu den Bürgern christlichen Glaubens. Hier zeigt sich, wie normal das dörfliche Leben miteinander war. Und dieser hohe Anteil unserer Bürger wurde aus unserer Mitte gerissen. Sie fehlen, sie hinterlassen uns keine Kinder, Enkel, Verwandte. Es waren Kirchener Bürger oder täusche ich mich? Und keinen von ihnen wollen wir vergessen und immer wieder darauf hinweisen: Hier hat er gewohnt, egal, ob das Haus noch steht oder nicht, aber hier sind seine Spuren zu finden. Hier war er daheim. Und von hier wurde er in den Tod geschickt. Dieses Gefühl der Verbundenheit mit unseren Mitbürgern, können kein Gedenkstein und keine Tafel am Friedhof und vor der Synagoge in uns erwecken. Dort, wo sie mit uns gelebt haben, dorthin gehört unser Erinnern an sie. Unser Gedenken an sie darf nicht enden“.
Und genau dieser Frage, ob die jüdische Geschichte des Ortes deutlicher im Straßenbild zu sehen sein sollte, ging der Künstler Gunter Demnig bereits 1997 nach. Die Antwort lieferte er mit seinem „Stolpersteine-Projekt“, das heute eine Stiftung ist: Eine Erinnerungskultur zu schaffen, die nicht nur ein Stück Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte beinhaltet, die nicht auf der Suche nach Schuldigen ist, sondern an die Opfer der Nazi-Herrschaft erinnern will, ihre Lebenswege nachzeichnen und das Gedenken in den Alltag holen, mit 9,6 x 9,6 cm und 10 cm hohen Steinen, die mit handgefertigten Messingplatten Vorname, Name, Geburtsjahr, Deportationsjahr und –ort sowie Angaben zum Schicksal der Opfer erhalten. Solch ein Stolperstein kostet 120 Euro und der Künstler verlegt die Steine in jeder Kommune selbst.
Zu 3) Der Arbeitskreis Stolpersteine hat sich von Anfang an als offener Arbeitskreis verstanden. Parteiunabhängig und politisch neutral. Ein Bürgerprojekt, das offen ist für jede und jeden, der an diesem Erinnerungsprojekt Interesse hat und mitwirken möchte, dass die Opfer der Nationalsozialisten in Efringen-Kirchen nicht vergessen werden.
Der AK trifft sich alle zwei Monate in der Kulturscheune Rabe in Kleinkems. Die Treffen werden im Gemeindemitteilungsblatt und auch auf unserer Homepage bekannt gegeben und bleibt dadurch offen für neue Gesichter.
Um das Rad nicht neu erfinden zu müssen, hatten wir zum ersten Treffen die Sprecherin des Schopfheimer Arbeitskreises, Dr. Marianne Merschhemke eingeladen. Sie berichtete nicht nur aus ihrer zweijährigen Arbeit und gab Hinweise zu Quellen für die Recherchearbeit, sondern hatte auch komplett recherchierte Lebensdaten von drei der 38 jüdischen Bürgerinnen und Bürger im Gepäck, die bis zum Schluss in Kirchen lebten und durch die Zwangsevakuierung aller entlang des Rheins gelegenen Markgräfler Dörfer, der sogenannten Roten Zone, nach Schopfheim kamen. Dies geschah am 3. September 1939, zwei Tage nach dem Überfall auf Polen. Die meisten von ihnen kamen aber nach Konstanz.
Am 22. Oktober 1940 wurden von den 38 Jüdinnen und Juden, 28 in das Zwischenlager nach Gurs im unbesetzten Südfrankreich deportiert, der sogenannten „Vorhölle von Ausschwitz“. Die anderen kamen nach Theresienstadt, Ausschwitz, Izbica oder Majdanek im besetzten Polen.
Um wen es sich dabei handelte und was aus ihnen wurde, dies zu recherchieren ist Gegenstand unserer Erinnerungskultur.
Der Schopfheimer AK war sich einig, dass die Stolpersteine für sie nach Kirchen gehören und dort verlegt werden sollten, weil Schopfheim nicht die zuletzt selbst gewählte Wohnadresse war, wie es die Stiftung vorsieht. So sah dies auch Konstanz. Die dortige „Initiative Stolpersteine“ schrieb mir auf meine Frage, ob denn die Kirchener Jüdinnen und Juden bereits Stolpersteine in Konstanz erhalten haben, folgendes: „In Konstanz haben wir aufgrund der erfolgten Zwangsevakuierung für keinen der aus Kirchen stammenden Juden und Jüdinnen einen Stolperstein verlegt. Da wir aber lange Zeit nicht davon ausgehen konnten, dass es auch in Efringen-Kirchen Stolpersteine geben würde, haben wir uns bemüht, auf andere Weise diesen Menschen zu gedenken“.
Mittlerweile konnten wir die Recherchen weiterer acht jüdischer Gemeindemitglieder abschließen, vor allem dank der hervorragenden Arbeit von Pfarrer Axel Huettner, der bekanntlich auch Historiker ist.
Am 24. April d. J. haben wir nach 20 Jahren erneut einen Antrag auf Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum im Gemeinderat gestellt, der eine recht emotionale Diskussion auslöste, die auch die Widerstände gegen das Stolperstein-Projekt deutlich machte. Dennoch wurde dem Antrag mit einer deutlichen Mehrheit zugestimmt. Aber mit der Auflage, dass der Gemeinderat der Verlegung von Stolpersteinen nur zustimmt, wenn dafür das Einverständnis der Grundstückseigentümer schriftlich vorliegt.
Da das Gespräch mit den Eigentümern sowieso zu unseren Aufgaben gehört – wir dachten dabei aber nicht an eine schriftliche Einverständniserklärung – sind dadurch rechtliche Fragen aufgetreten, dass Eigentümer etwas zustimmen sollen, was den öffentlichen Raum betrifft. Damit wurden den Stolpersteinen in gewisser Hinsicht selbst Stolpersteine in den Weg gelegt, was manch Diskussion mit einem Eigentümer bereits gezeigt hat. Andere Gemeinden wie Schopfheim, Lörrach, Müllheim und auch Breisach sind bei ihrer Zustimmung ohne dieses schriftliche Dokument ausgekommen. Es reichte, dass die Eigentümer mit eingebunden wurden und ihre Zustimmung fand.
Mit und durch den Gemeinderatsbeschluss ist die Gemeinde Schirmherrin der Stolpersteine, worüber wir uns trotz der Auflage natürlich freuen. Somit können Spenden über die Gemeinde abgewickelt werden, die dann auch entsprechende Spendenbescheinigungen ausstellt.
Aktuell gibt es für 13 Stolpersteine Patinnen und Paten, die mit einer Spende von 120 € jeweils einen Stein finanzieren.
Über die Recherchen über jüdische Opfer hinaus, sind uns zwei ehemalige Mitbürger aus Istein bekannt geworden, die im Zusammenhang mit dem als „T4-Aktion“ bezeichneten Euthanasie-Programms der Nazis im ehemaligen Kreispflegeheims Wiechs ermordet wurden, an die mit Stolpersteinen in Istein erinnert werden soll.
Am28. August d. J. wurde dort eine sog. Stolperschwelle für die 108 Euthanasie-Opfer verlegt. Stolperschwellen werden da eingesetzt, wo die Zahl der Opfer für Stolpersteine einfach zu hoch wäre.
An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass die Finanzierung der Stolpersteine ausschließlich über die Spendeneinnahmen erfolgt, die Arbeit des Arbeitskreises ist rein ehrenamtlich.
Am 22. September 2023 gab es in diesem Zusammenhang eine Benefizveranstaltung mit jüdischer Musik in der Kulturscheune Rabe in Kleinkems. Da wir weiterhin auf Spenden angewiesen sein werden, werden wir auch weiterhin Veranstaltungen planen.
Zur Arbeit einer Erinnerungskultur gehört schließlich auch, die Jugend für das Projekt Stolpersteine zu interessieren und zu gewinnen, ihr neben dem Unterrichtsstoff „Nationalsozialismus“ die Möglichkeit zu geben, zu erfahren, wer alles zwischen 1933 und 1939 aus Kirchen, Istein und anderen Dörfern ihrer Heimatgemeinde plötzlich verschwand und nicht wiederkam. Und sie damit über Unrecht und die Folgen von Gewaltherrschaft zu sensibilisieren.
Daher war es uns von Anfang an ein großes Anliegen, den Kontakt zum Schulzentrum zu suchen und waren sehr froh, bei der Schulleitung offene Türen einzurennen! Der sehr engagierte Geschichtslehrer, Erwin Disch, konnte Schülerinnen und Schüler seiner Klasse für das Projekt begeistern und „im Nu“ war eine außerordentliche AG gegründet, die sich mit dem jüdischen Gemeindeleben intensiver auseinandersetzt als dies im planmäßigen Unterricht möglich wäre. Die AG stellte zum Schulfest eine beeindruckende und sehr sehenswürdige Präsentation auf die Beine, für die die Schülerinnen und Schüler auch eine Umfrage zur Judenverfolgung gemacht hat, aus der ich zum Schluss meiner Ausführungen ein paar Fragen zitieren möchte.
„Interessiert Sie das Thema Judenverfolgung? Wissen Sie, was Stolpersteine sind? Wissen Sie, dass Stolpersteine in Efringen-Kirchen verlegt werden sollen? Und kennen Sie jüdische Nachnamen aus Efringen-Kirchen?“
Die Auswertung ergab zur ersten Frage: 75% der weiblich Befragten antworteten mit ja, dagegen interessierten sich nur 20% der Männer für das Thema Judenverfolgung. Bei der dritten Frage wussten 60% der weiblich Befragten, dass Stolpersteine in Efringen-Kirchen verlegt werden sollen, aber nur 20% der männlich Befragten. Bei der Frage nach jüdischen Nachnamen aus der Gemeinde wussten sogar 65% der weiblich Befragten Namen anzugeben, bei den Männern nur 15%.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.